Porki #51 und Rank Xerox

Rank-Xerox, so oft kopiert
In jeder Zeitung ihr Gesicht, dein Gesicht, mein Gesicht
In der Stadt, auf dem Amt
Im Bullenbüro, im Chinarestaurant
Auf dem Fahndungsplakat.

Rank Xerox (1979) von Hans-A-Plast

Rank Xerox Hauptverwaltung, heute Lindner Unternehmensgruppe
Architekten: Hentrich, Petschnigg & Partner
Mitarbeiter: M. Zotter, C. Arens, T. M. Fürst
Baujahr: 1968-70

Die zweite Station unserer spontanen Düsseldorf-Exkursion am Neujahrswochenende führt uns auf die westliche Rheinseite nach Düsseldorf-Lörick zur ehemaligen Rank Xerox Hauptverwaltung (ebenfalls von Hentrich, Petschnigg & Partner) und dem Lindner Congress Hotel. Beide Bauten liegen direkt nebeneinander, außerdem gehören heute auch beide zur Lindner Unternehmensgruppe. Interessanterweise wurde das Lindner Congress Hotel von Lindner Architekten bis 1974 gebaut und bekommt aktuell seine „Krone“ ebenfalls wieder von Lindner Architekten aufgesetzt. Der gleiche Name ist kein Zufall, es handelt sich damals wie heute, Architekturbüro wie Hotellerie um das gleiche Unternehmen. Korrektur: Jemand spricht die Unwahrheit, oder zumindest nicht die ganze Wahrheit. Laut „Auf den zweiten Blick – Architektur in der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen“ war das Lindner Congress Hotel ursprünglich Verwaltung und Hotel Rheinstern von Dansard-Hellenkamp-Kalenborn & Partner und wurde 1973 gebaut, mit dem Namen Rheinstern findet man sogar das Lindner Congress Hotel. Doch meiner Meinung nach passt der neuste Umbau überhaupt nicht. Offensichtlich gefällt jemandem der skulpturale Betonbrutalismus nicht. Was dagegen ein riesiger Aluhelm auf dem Dach bringen soll, kann ich persönlich nicht erkennen. Meiner Meinung nach wird das konsequente Erscheinungsbild damit nur verwässert und das gesamte Gebilde dadurch empfindlich gestört.

Angenommen man würde Brutalismus ablehnen, dann glaube ich, dass man doch trotzdem lieber etwas konsequent Durchexerziertes betrachten würde. Diese „Krone“ ist keine Krone, sondern eine NY-Yankees-Mütze, die jemand mit Gewalt auf den Irokesen eines Punkers gedrückt hat. Es könnte auch die Plastikschutzkappe auf den Kontakten eines neuen Kabels sein, bei der man sich wundert, ob sie nur vergessen wurde. Lasst doch den Beton einfach Beton sein. Besonders mit dem Baustellenaufzug wirkt es, als wäre es einfach ein unfertiger Neubau. Wer es vorher nicht schön findet, den wird dieser bescheuerter Aluhut bestimmt nicht umstimmen. Auch deshalb soll es in diesem Beitrag nicht um das Hotel gehen.

Im Gegensatz zum Hotel schafft es das Bürogebäude dahingegen sofort positiv herauszustechen. Obwohl man den Eindruck hat, auf einem schäbigen Hinterhof gelandet zu sein – überall stehen Autos, und der Schilderwald tut so, als sei der Parkplatz mindestens viermal so groß – geht der Bau nicht unter. Steht man in echt davor, wird einem die ungewöhnliche hexagonale Form sofort klar. Die Frontalaufnahmen werden dem Ganzen leider nicht gerecht. (Für eine Wirkung „wie in echt“, müsste man Fotos von weiter weg mit mehr perspektivischer Verdichtung machen, was aber wegen dem Wald an Hindernissen vor Ort leider nicht wirklich eine Option ist.) Was aber gut zu erkennen ist: Das Gebilde wirkt nicht wie ein alleinstehender Solitär, sondern wie ein kleines Grüppchen, während es ja in Wahrheit ein einzelnes Gebäude ist. Die hinteren Flügel halten sich respektvoll zurück, wie zwei Bodyguards, während sich der vordere einem zuwendet, sich mit dem Haupteingang sogar öffnet. Obwohl wir im tiefsten Winter, am Neujahrstag da sind, wirkt das Gebäude außerdem sommerlich auf mich, die dunkel getönten Scheiben wie die einer Sonnenbrille. Der Sichtbeton ist ungewöhnlich Braun, wie nasser Sand am Spülsaum. Lässt man sich auf diesen Vergleich ein, kommen einem noch mehr solcher Assoziationen in den Sinn; die Form wie Sonnenschirme oder ein Pavillon, dazu passend die Schalbretterabdrücke, in denen die Holzmaserung verewigt ist. Eine zusammengezimmerte Strandbar vielleicht? Mit den umlaufenden Fluchtbalkonen könnte das Gebäude auch ein Stapel seltsamer Hüte sein. Das Capitol Records Building wird gerne mit einem Stapel Schallplatten verglichen. In diesen Gedanken verloren könnte auch gleich Axel Foley aus dem Haupteingang gehüpft kommen oder „Cyberdyne Systems“ über der Tür stehen. Dabei sind wir nicht im Los Angeles der 1980er, sondern in Düsseldorf-Lörick. Im Sommer ist das nahegelegene Rheinufer aber bestimmt auch ganz schön.

Sichtbetonbrüstungen der Fluchtbalkone (…oder doch ein Holzsteg am Sandstrand?)

Der Parkplatz mit dem Haupteingang liegt höher als das Erdgeschoss des restlichen Gebäudes. Nach Nordwesten steigt man eine Treppe herab und steht vor einem Nebeneingang. Von hier aus lässt sich auch erkennen, dass die drei hexagonalen Prismen nicht etwa wie Bienenwaben angeordnet sind, sondern so, dass nur die Ecken, nicht aber die Flächen aufeinanderstoßen würden.

Bienenwaben
Rank-Xerox-Haus schematisch
Rank-Xerox-Haus tatsächlich

„Um den zentralen Kern gruppieren sich die Bürogroßräume der Hauptverwaltung Rank Xerox, und in der erhöhten Kernpartie befinden sich die Konferenz- und Speiseräume sowie die Direktion. In der Eingangshalle sind Ausstellungsräume und Besprechungskabinen, tiefer sind Cafeteria und Küche“

werk Ausgabe #59 (1972)

Wie im Bild deutlich zu erkennen ist, gibt es einen Höhenversatz, der laut Wikipedia 1/3 der Geschosshöhe beträgt. „Bemerkenswert“ nennt die gleiche Quelle auch die Grundrisse, welche in der eben zitierten Ausgabe von „werk“ auch abgebildet sind. Ich glaube gerne, dass die Höhenunterschiede, zusammen mit der offenen Raumgestaltung eine spannende Wirkung im Innenraum erzeugen.

Ich finde es schon ein bisschen schade, dass es in zweiter Reihe, in einem Gewerbegebiet und umringt von Parkplätzen versteckt ist. Ich glaube das Rank-Xerox-Haus ist nämlich – im Gegensatz zu seinem verunstalteten Adoptivbruder nebenan – Beton-Brutalismus, der auch heute schon bei einem breiteren Publikum wieder mehr Anklang finden würde, allein schon, weil ihm niemand unterstellen kann ein „Klotz“ zu sein.

Ein Jahr nach dem Abschluss der Bauarbeiten wurde das Gebäude mit einer Plakette des BDA ausgezeichnet, seit 1994 ist es denkmalgeschützt.

Postscriptum:

Ein Deonym ist ein Wort, das sich im allgemeinen Sprachgebrauch von einer Markenbezeichnung zu einem Gattungswort gewandelt hat. Beispiele im Deutschen, die jeder kennt sind: Tempo, für Taschentuch oder Googlen, für im Internet suchen. Im englischsprachigen Raum ist Xerox ein Deonym. Mit „to xerox sth.“ ist gemeint, etwas zu fotokopieren. Fotokopien werden auch allgemein einfach „Xerox“ genannt. Bojack Horseman beschreibt sein Verhalten in einer Episode, die auch diesen Namen trägt, als „xerox of a xerox“. Gemeint ist damit die Kopie einer Kopie, die mit jeder Reproduktion ein kruderes Abbild der Wirklichkeit wiedergibt.

Von deutlich älteren Jahrgängen hab ich schon hin und wieder Xerox deutsch ausgesprochen, als „Kseerocks“ gehört. Die deutsche Zunge macht so etwas ja ganz gerne mal. Amazon – deutsch: Ahmahzohn vs. englisch: Ämmeson kommt einem auch als etwas jüngerer Mensch bekannt vor, wobei es hier meiner Meinung nach noch fataler ist, da die phonetische Ähnlichkeit zu „Amazing“ flöten geht, was bei genauerer Überlegung allerdings vielleicht auch gar nicht so schlecht für uns ist. Mit dem Klang von „Babcock-Borsig“ im Kopf war ich allerdings verunsichert, ob man Rank Xerox englisch-englisch ausspricht, oder ob Rank nicht eventuell deutsch ist. Wer sich also wie ich fragt, wie man „Rank Xerox“ (was seit 1997 mit diesem Namen nicht mehr existiert, sondern nur noch Xerox heißt) richtig ausspricht, den kann ich beruhigen. Rank Xerox in englisch-englisch ist korrekt. Die Rank Xerox war ein Joint Venture der US-amerikanischen „Haloid Company“ und der britischen „Rank Organisation.“

Dieser Beitrag ist rückdatiert auf das Aufnahmedatum der Fotografien/das Datum der ursprünglichen Konzeptualisierung, eigentliches Veröffentlichungsdatum ist der 18. Juli 2022

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